Naturnaher Spielraum

«Naturnah» heisst nicht automatisch «kindgerecht». Erst zusätzliche Faktoren wie nutzbare Vegetation (z.B. zum Klettern geeignete Bäume, Verstecke, Rückzugsräume, robuste Vegetation wie Weiden und Haselsträucher), das Vorhandensein von verwendbaren Materialien (z.B. Wasser, Steine, Lehm, Sand), eine gute Zugänglichkeit sowie die Möglichkeit und die Erlaubnis zum unkontrollierten Spielen und Verändern machen einen naturnahen Freiraum zum idealen Spielraum.

Bedeutung von naturnahen Spielräumen

1. spielen heisst leben & leben heisst spielen

Die Bedeutung und Notwendigkeit von Spielräumen ergibt sich aus der Tatsache, dass für Kinder «spielen gleich leben», wie auch umgekehrt «leben gleich spielen» ist.

«Spiel(en) ist nicht bloss eine zufällige Freizeitgestaltung, sondern es stellt den «Hauptberuf eines jeden Kindes» dar, der dazu dient, die Welt um sich herum und sich selbst zu begreifen.» (Meyer, F., 2012)

2. Förderung kognitiver, körperlicher und sozialer Entwicklung

Die Nutzung der Freiräume als Spiel-, Begegnungs- und Bewegungsräume ist von zentraler Bedeutung für das gesunde Aufwachsen von Kindern.

  • Neue Erkenntnisse der Neurowissenschaften zeigen auf, weshalb das Spiel von besonderer Bedeutung für die kindliche Entwicklung ist. Das menschliche Gehirn wird wesentlich durch die Erfahrungen strukturiert, die ein Mensch während der Phase seiner Hirnentwicklung macht. Die Auseinandersetzung beim Spielen mit der Umwelt ermöglicht diese Erfahrungen. Eingeschränkte Spielerfahrung führt zu einem nicht mehr aufholbaren Verlust von Lebenserfahrung und beeinträchtigt die kognitive, körperliche und soziale Entwicklung. (Hürther, 2008)
  • Kinderfreundschaften bilden wichtige Rahmenbedingungen zum Entwickeln von sozialen und kognitiven Fähigkeiten. Diese werden im Austausch mit Gleichaltrigen (Peers) besonders stark gefördert. Sie sind ebenso wichtig für spätere positive Beziehungsgestaltungen. Kinder lernen im Spiel mit anderen Kindern, mit komplexen Situationen und Gefühlen umzugehen, Probleme ei-
    genständig zu lösen und Kompromisse zu schliessen. Wichtig ist auch das Lernen und Beobachten von älteren Kindern und das Anleiten von Jüngeren und «sich als Grosse/Grosser fühlen können» in altersmässig gemischten Gruppen. Ohne solche Auseinandersetzungen müssen diese Kenntnisse im Erwachsenenalter erst mühsam erlangt werden. (Wagner, 1994)

3. Selbst und ungestört entdecken

Die Aneignung von Wissen und die Sozialisation von Kindern sind eng an die Qualität ihres Wohnumfeldes gekoppelt. Dabei sind von Erwachsenen nicht kontrollierte, attraktive Freiräume, die das Verändern und Gestalten zulassen, besonders wichtig.

Kinder brauchen zum Lernen Orte, an denen sie sich selbstbestimmt und ungestört aufhalten, eigene Erfahrungen sammeln und sich mit anderen Kindern austauschen können.

4. Partizipation

Ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Planung und Umsetzung von attraktiven Freiräumen ist ein guter Partizipationsprozess mit allen Betroffenen und Nutzenden (inkl. Kinder). Zu oft werden Spiel- und Bewegungsräume fast ausschliesslich aus der Perspektive von Erwachsenen gestaltet.

5. Bewegungs- und Gesundheitsförderung

Spielen ist auch Bewegung. Herumrennen, Klettern oder Balancieren sind elementare Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen. Sie sind auch essentiell für deren motorische und geistige Entwicklung.

Bewegungsmangel beeinträchtigt die Entwicklung von Geist und Körper bei Kindern und kann sie krankmachen. Bewegungsmangel schadet auch Erwachsenen und gilt als eine der häufigsten Ursachen für Zivilisationskrankheiten.

Bewegungsförderung ist ein wesentlicher Bestandteil einer umfassenden Gesundheitsförderung. Ein bewegungsförderliches Umfeld ist dabei ein wichtiger Faktor, um das Bewegungsverhalten positiv zu beeinflussen. Dazu braucht es nicht immer Spielgeräte, sondern v.a. Gelegenheiten und Möglichkeiten zur Aneignung bespielbarer Elemente.

6. Vielfalt an Spielmöglichkeiten

Kein anderes Umfeld bietet eine solch grosse Vielfalt an Möglichkeiten für das Spielen, Bewegen, Erfahren, Kennenlernen der Sinne und das Erlernen von Fertigkeiten, wie ein naturnaher Freiraum.

«Naturnähe» selbst garantiert diese Qualitäten noch nicht; diese müssen aktiv gesichert werden: z.B. mit gezielten Pflegeeingriffen Verstecknischen schaffen, mit dem Gewährleisten einer guten Zugänglichkeit und der Möglichkeit und Erlaubnis, die Räume nutzen und verändern zu dürfen.

Quellen
Quellen

Fabian, C. und Huber, T., 2016. «Praxishilfe Naturnahe Freiräume für Kinder und mit Kindern; Planen und Gestalten - Grundlagen, Vorgehensweise und Methoden». Herausgeber: Fachhochschule Nord- westschweiz FHNW, Hochschule für Soziale Arbeit.

Health-Enhancing Physical Activity, 2013: Gesundheitswirksame Bewegung - Grundlagendokument. Magglingen: Bundesamt für Sport

Hüther, G. 2008: «Die Erfahrungen von Natur aus der Sicht moderner Hirnforschung». BfN – Skripten 
230: Kinder und Natur in der Stadt Spielraum Natur. 

Mayer, F., 2012: Expertise zu Lebensräumen und Lebenswelten junger Kinder. Zürich: Marie Meierhofer Institut für das Kind.

Wagner, J. 1994: «Kinderfreundschaften: wie sie entstehen - was sie bedeuten». Berlin: Springer.